Hundert Kilometer nachdem wir unser Nachtquartier verlassen hatten, erreichten wir die Kreuzung zwischen Weipa (im Westen von Cape York) und dem Weg bis in den Norden. Hier verlassen wir die Hauptroute und fahren in die Richtung des nördlichsten Punktes in Australien. Erneut ein Schild: Road closed. Das übersehen wir mal ganz zufällig :-) Weiter geht es auf mittlerweile oft schlammigen Tracks (fahre aber immer noch im 2WD). Ab und zu kommen uns Auto entgegen, bei denen wir vor lauter Schlamm kaum die Farbe erkennen können. Ich stoppe einen der Wagen und erfahre, dass der Weg viel Spaß macht. Er ist nur die einfachere „Umgehungsstraße“ (Bypass) gefahren und vom Old Telegraph Track rät es uns definitiv ab.
Barmwell Junction ist ein Roadhouse. Von diesem hat man die Möglichkeit, über zwei unterschiedliche Tracks zur Spitze zu gelangen. Den alten, extremen und in keiner Weise mehr gepflegte oder reparierte Old Telegraph Track oder der neuen und einfacheren Bypass. Die Holländer waren schon die ganze Zeit recht unschlüssig. Für mich stand fest: Cape York ohne den Old Telegraph Track ist einfach geschummelt. Ich mag es kompliziert und genau dafür fahre ich ja meinen Landcruiser :-) Die gute Frau im Roadhouse erklärte uns für verrückt. Es sind erst 10 Autos in den letzten Tagen den Old Telegraph Track gestartet, davor war es für Monate unbefahrbar, da die River zu tief waren. Doch bisher ist keines der Autos zurück gekommen. (Haben sie es geschafft oder stecken sie noch irgendwo im Wasser?) Das Problem: Nach nur fünf Kilometer gibt es ein River Crossing (Palm Creek), dessen Weg hinab in den Fluss so tief hinunter geht, dass man nie wieder hoch kommt. The point of no return. Der Old Telegraph Track lässt sich somit nur in eine Richtung befahren. Hier mal ein Video vom Old Telegraph Track, damit ihr mal eine Vorstellung habt.
Mir war schnell klar, wir werden den Old Telegraph Track nicht machen. Die Holländer hatten zu viel Angst um ihr Auto. Verständlich, war ja auch ein wenig teurer. Außerdem haben sie Kinder on board. Doch da das erste Crossing nicht weit weg ist, wollen wir uns das Abenteuer trotzdem mal anschauen. Als ich den steilen und schlammigen Hang sah, war entgültig meine Hoffnung gestorben. Das werden die Holländer nie wagen. Doch plötzlich kommen drei Geländewagen mit Australiern an. Deren Wagen haben das perfekte Setup. Quasi unstoppbar. Riesige 35 Zoll Schlamm-Reifen, über 20cm angehobene Karosserie, Diff-Sperren und alles was man braucht. Sie überlegen nicht lange und fahren den steilen Hang hinunter und durchqueren den schlammigen Fluss. Ich war schon mit den Jungs am diskutieren, ob sie mich mit durch den Old Telegraph Track nehmen, als Martjin plötzlich sagte: „Let’s do it!“ (OK, die Aussis haben lange auf ihn eingeredet.) Ich rannte zu meinem Auto und bevor er sich um entscheiden konnte, hing ich schon halb im Wasser. Wie immer kommt es auf den Bildern nicht so herüber, doch schaut euch einfach die Seitenwände des Tracks an. Und außerdem, wie verschränkt meine Räder sind. Das gibt eine Idee, wie hoch mein Adrenalinspiegel war :-)
Wie bei so jedem extremem Manöver, hing ich mal wieder mit meiner Anhängerkupplung auf den Steinen, doch das Geräusch kenne ich schon und somit gab ich Gas und es ging durch den Fluss zur anderen Seite. Mit fünf Autos ging die Reise weiter. Doch nicht weit, denn nun stand eines der kompliziertesten River Crossings (Ducie Creek) unserer Tour (oder gar für immer?) auf dem Programm. Wie gesagt, es gab kein Zurück mehr. Es ist ein Muss, dass man tiefe Durchfahrten vorher zu Fuß durchläuft. Nur so kann man Hindernisse wie Steine und löcher finden. Außerdem wirkt das Wasser oft flach und plötzlich steht man bis zum Hals drin. Das wäre für den Wagen fatal. Dieses Crossing ist jedoch total zugeschlammt. Man sieht nichts und vor allem sieht man keine Krokodile! Somit traut sich keiner, auch nur einen Fuß hinein zu setzten. Wir schicken den ersten Wagen hinein. Ein Abschleppseil am Heck, sodass die Rettung im zu tiefen Wasser in wenigen Sekunden geschieht. Nach der Hälfte der Strecke durchs Wasser gibt es ein riesiges Loch. Als ich an der Reihe bin, verschwindet meine Haube unter die Wasseroberfläche. Rein:
Und wieder raus:
Gleichzeitig kam dann plötzlich Wasser durch Öffnungen aus dem Motorraum in den Innenraum geschossen. In wenigen Augenblicken hatte ich einen 10cm hohen See im Wagen. Doch stoppen kam nicht in Frage. Mein Herz raste und ich war glücklich, das die Elektronik scheinbar noch nichts abbekommen hat. Langsam kroch ich weiter durch den Schlamm hinauf auf die andere Seite Juhu, geschafft! Was für ein Glücksgefühl. Auch die Holländer fluteten ihren Wagen, uns fehlten halt die 20cm mehr Bodenfreiheit.
Des öfteren gab es zwei Alternativen: Eine extreme und eine „leichtere“. Die Australier probierten natürlich das schlammigste was nur irgendwie geht und des öfteren mussten sie dann per Abschleppseil aus dem Schlamassel gerettet werden, da sie einfach stecken blieben. Wir sind alle mit so genannten Snatch-Traps ausgestattet. Es funktioniert wie ein Gummiband. Zuerst dehnt sich das Abschleppseil und bei einem bestimmten Punkt zieht sich das ganze Seil mit wahnsinniger Kraft zusammen. Damit bekommt man auch ein über zwei Tonnen schweres Auto aus dem tiefsten Schlamm.
Von nun an ging es nur langsam voran. Der Weg hatte oft starke Schräglagen und tiefe Löcher. Die Australier sahen wir schon bald nicht mehr und auch für mich war es kein wirkliches Problem. Doch der Defender mit seinem hohen Schwerpunkt kam des öfteren sehr in Bedrängnis. Und erneut: Es gab nur einen Weg für uns und der heißt „geradeaus“. Also steigen wir aus dem Auto aus, diskutierten die beste Linie und mit Handzeichen ging es dann in Schrittgeschwindigkeit vorwärts. Somit schafften wir in drei Stunden ganze 17km :-) Mein Adrenalin ist auch jetzt, vier Stunden nach Ankunft auf dem Campingplatz (kleine Wiese am Fluss) noch auf höchsten Niveau. Ich bin so glücklich, dass die Australier da waren. Ohne Sie wären wir nie hier gelandet. Und der Old Telegraph Track ist zu dieser Jahreszeit wirklich eines der besten Abenteuer überhaupt.
Tour: Laura – Old Telegraph Track
Übernachtung: (Bush) Camping, North Alice Creek
Weiter geht’s:
Teil 2: Cape York (Loyalty Beach)
Teil 3: Cape York (The Tip)
Teil 4: Cape York (Sumerset)
Teil 5: Cape York (im Schlamm)
Cape York und der Old Telegraph Track sind für Fans der 4WD Off-Road Gemeinde ein genialer Ausflug. Hier kommt jeder 4×4 Fahrer auf seine Kosten :-) Hier noch ein paar Wikipedia Infos zum Cape York. Allerdings auf Englisch…
Rudi
28. März 2011 — 10:36
Oh wow. Was für ein cooler Trip. Ich habe schon so einige Infos über Cape York gelesen. Deine Beschreibung von der Tour ist aber richtig klasse. Ich fliege im August los. Hoffe das Cape York dann im September noch zu befahren ist. Will in Cairns einen Geländewagen kaufen und dann hoch nach Cape York. Tolle Bilder übrigens! Noch irgendwelche Insider Tipps für mich? Gruß vom Rudi aus DD